Wir sind immer noch geflasht! Der Ötztaler Radmarathon wird uns immer in toller Erinnerung bleiben. Es war nicht unsere Leistung, mit welcher wir auch zufrieden waren, sondern die einzigartige, spezielle Atmosphäre. Im Laufsport erlebten wir ähnliches schon bei grossen Städtemarathons wie London, Paris oder Berlin.
Beim Mythos Ötztaler Radmarathon wollen jährlich zwischen 16’000 – 20’000 «Gümmeler» teilnehmen, jedoch ist das Feld, organisatorisch und sicherheitsbedingt, auf 4’000 Starter begrenzt. Eine Verlosung entscheidet über den Traum oder Albtraum. Dass es bei uns gleich im ersten Versuch funktionierte, ist eher die Ausnahme als die Regel.
Das Wetter war uns wohlgesinnt. Auf den letzten 20 Kilometern kam noch Nieselregen auf, aber mit dem Ziel vor Augen, war dies nicht weiter schlimm.
Der Wecker schrillte um 4 Uhr morgens. Vor dem Start in Sölden um 6:30 Uhr war noch frühstücken angesagt. Unser Hotel eröffnete – extra für diese Veranstaltung – das Frühstücksbuffet bereits um 4:30 Uhr. Ein weiteres Indiz, dass ein grosser Teil der Bevölkerung von Sölden, ja vom ganzen Ötztal, hinter diesem Mega-Event steht. Nebst dem Ski Alpin Weltcup ist dies die grösste Veranstaltung in der Region.
Gestärkt fuhren wir um 5:40 Uhr Richtung Start, welcher unweit von unserem Hotel war. Wir wussten, dass wir nicht die Ersten sein werden, aber was wir antrafen, überraschte uns doch. Es waren bereits schätzungsweise 1’500 – 2’000 «Gümmeler» bereits am Start, obwohl es noch gut 50 Minuten bis zum Startschuss dauerte. Crazy! Die Zeit verging jedoch wie im Fluge.
Pünktlich um 6:30 Uhr donnerte der Startschuss aus einer Kanone, und ein Summen von Tausenden teuren Rennrädern hebt an. Bis wir die Startlinie überfuhren, dauerte es gut und gerne 5 Minuten. 234 Kilometer oder 4 Pässe mit 5’700 Höhenmeter standen vor uns. Offiziell sind es jeweils 227 Kilometer mit 5’500 Höhenmeter, aber heuer hatte es einige Umleitungen wegen Baustellen.
Auf den ersten 30 Kilometer ging es das Ötztal hinunter. Da das Feld noch sehr kompakt war, galt es hier kräfteschonend und unfallfrei durchzukommen. Leider gelang dies nicht jedem. Wir sahen einige Teilnehmer an Verkehrsinsel «kleben» und in Strassengräben liegend.
Auf die Abfahrt folgte der erste längere Aufstieg nach Kühtai. Dieser war 18 Kilometer lang, gespickt mit 1’200 Höhenmeter und einer Maximalsteigung von 16%. Diesen Streckenabschnitt kannten wir aus einem Urlaub im Jahre 2020 auf Kühtai. Uns kam der Pass nicht mehr so «gross» vor wie dannzumal und schwupp di wupp waren wir auf der Passhöhe angekommen. Die Getränkeflaschen auffüllen, ein Gel und/oder Energieriegel verzehren und weiter ging es hinunter nach Innsbruck. Auf diesem Abschnitt erreichten wir auch das Höchsttempo von 87 km/h.
In Innsbruck angelangt, ging es sogleich Richtung Brenner. Dieser Aufstieg war der Leichteste von allen vieren, was auch die Zahlen deutlich aufzeigten. Länge = 37,5 Kilometer. Höhenunterschied = 777 Meter. Maximale Steigung = 12%. Es war nur zu Beginn und am Ende etwas steiler. Ansonsten war es leicht ansteigend. Wir fuhren in einer rund 50-köpfigen Gruppe den Pass hinauf. Eine Italienerin fiel sehr unangenehm auf. Sie war ständig lautstark am Reklamieren. Leider wurden wir sie bis ins Ziel nicht mehr los.
Auf dem Brennerpass war die zweite Labestation (= Verpflegungsposten) des Tages. Wir füllten unsere Bidons auf und entledigten uns den überflüssigen Kleidungsstücken wie Arm- und Beinlinge. Petra wechselte das Trikot komplett.
Es folgte die Abfahrt ins Südtirol nach Sterzing. Die Temperaturen stiegen, aber es war sehr angenehm. Der dritte Pass namens Jaufenpass stand nun auf dem Programm. Es war ein gleichmässiger Anstieg mit 15,5 Kilometer Länge. Bei einer maximalen Steigung von 12% mussten 1’130 Höhenmeter bewältigt werden. Noch immer tummelten sich sehr viele Rennradfahrer/Innen um uns. Einfach der Wahnsinn! Übrigens blieb dies bis zum Schluss so. Die Naturlandschaft war sehr schön. Wo es rauf geht, geht es auch wieder runter. Es folgte die rasante Abfahrt nach St. Leonard im Passeiertal.
Im Dorfkern von St. Leonard – mittlerweile hatten wir 170 Kilometer hinter uns – sahen wir wieder einen Sturz. Nicht schlimmes, aber doch ärgerlich für den Betroffenen. Dies bezüglich hatten wir bis zum Ende Glück. Kein Sturz. Keine Panne. Zum Dessert kam nun noch das Timmelsjoch. Die imposanten Zahlen, die da lauten: Distanz = 29 Kilometer. Höhenunterschied: 1’724 Meter. Maximale Steigung 14%. Wir genossen es noch immer sehr, aber die Strapazen der vergangenen Stunden waren natürlich auch spur- und sichtbar. Mit jeder Kurbelumdrehung näherte wir uns den höchsten Punkt des Tages (2’509m). Rund 9 Kilometer vor der Passhöhe gab es nochmals einen Verpflegungsposten. Es sollte der Letzte sein, denn wir beanspruchten. Die Aussicht beim Fahren war gigantisch. Es wurde kühler und windiger, doch uns konnte nichts mehr aufhalten. Bei Nieselregen passierten wir den letzten Pass des Tages.
Es folgte die nasse Abfahrt nach Sölden. Rund 20 Kilometer waren noch zu absolvieren bis zum Ziel. Nochmals galt es konzentriert zu bleiben. In Sölden angelangt, herrschte grosse Partystimmung. Sehr viele Zuschauer entlang der Hauptstrasse applautierten und feuerten uns lautstark an. Es war geschafft! Hinter uns lag ein langer, megacooler, superschöner, erlebnisreicher Tag. Und eines war für uns sofort klar. Wir kommen wieder!
Livestream (siehe 04:54:25, 04:56:28, 09:21:27, 09:23:45 und 09:24:42)
Zieleinfahrt (siehe 03:34:08)